12. Nov 2024
Veranstaltungsreihe der KJM

KJM im Dialog 2024: Altersprüfung als Schlüssel für ein sicheres Netz

"Raus bist du noch lange nicht, sag mir erst wie alt du bist": So einfach wie in diesem Reim ist es mit der Altersprüfung im Netz leider nicht. Welche Lösungsansätze gibt es? Wir luden ein zu einem kurzweilig-nachhaltigen Abend mit Panel & Workshop.

Wann

Di, 12. November 2024

Wo

Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und bei der Europäischen Union, In den Ministergärten 6, 10117 Berlin

Social Media

Social Media: #kjmimdialog24

KJM im Dialog 2024

Regulierung, Plattformen und Anbieter*innen sind sich einig, dass Kinder und Jugendliche im Netz besser vor problematischen Inhalten geschützt werden müssen. Doch viele Schutzmaßnahmen greifen nicht, weil Anbieter*innen keine verlässliche Alterskontrolle einführen.

Gemeinsam mit Anbieter*innen und Plattformen warfen wir einen Blick darauf, welche Ansätze Nachbarländer verfolgen, welche Optionen auf dem Tisch liegen und wie man die verschiedenen Perspektiven im Sinne des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vereinen kann.

Wir stehen auf Schwarmintelligenz: Deswegen durfte sich jede*r im Rahmen unsers kreativen Kurz-Workshops am Ende der Veranstaltung einbringen.

Im Fokus standen weiter die Erkenntnisse des Gutachtens „Kennzeichnung von bearbeiteten (Influencer-) Fotos“, die von Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher für Medienrecht und Media Governance am Leibniz-Institut für Medienforschung, im Gespräch mit Eva-Maria Sommer, Direktorin der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, vorgestellt wurden.

Begrüßungsrede von Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, im Rahmen der Veranstaltung „KJM im Dialog“ am 12. November 2024 in Berlin

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Heike Raab, 
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,  
Lieber KJM-Vorsitzender, lieber Marc Jan,  
Sehr geehrte Mitglieder der Kommission für Jugendmedienschutz, sowohl die Sachverständigen als auch die Direktorinnen und Direktoren,  
meine Damen und Herren,
liebe Cheerleader eines wirksamen Jugendmedienschutzes,

das Medienrecht ist derzeit geprägt von zahlreichen neuen Gesetzgebungsvorhaben – und alle haben das ehrenwerte Ziel vor Augen, die Nutzer:innen zu schützen. Dabei sind insbesondere die schutzbedürftigen Gruppen, unsere Kinder und Jugendlichen, zu Recht im Fokus.

Doch bei all diesen grundsätzlichen, engagierten und ambitionierten Vorhaben gibt es einen Gedanken, der mich umtreibt, aber auch antreibt, und daher habe ich Ihnen heute die Überschrift „Wirksam sein“ mitgebracht:

Die Vielzahl von Gesetzesinitiativen beeinflussen den Medienbereich – und oft ist es ein komplexes Zusammenspiel von EU, Bund und Ländern. Sicherlich immer gut gemeint, doch manchmal fühlt es sich an, als stünden wir bereits mit einem Bein in einer Komplexitätsfalle.

Um eine breite Akzeptanz dieser Gesetze zu erreichen, dürfen wir nicht in einem Modus der breitbeinigen Ankündigung verharren. Es ist an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen und die bestehenden Regelungen konsequent anzuwenden. Denn regulatorische Taten sind notwendig, um wortreichen Gesetzestexten Leben einzuhauchen. Und das gilt für alle Institutionen, die einen gesetzlichen Auftrag haben – auch für jene, die sich ihren Auftrag teilweise selbst definiert haben.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) arbeitet unentwegt und konsequent an ihrer Wirksamkeit: Sie geht voran, sowohl bei der Bewertung von Einzelfällen als auch bei der Abhilfe dieser rechtswidrigen Einzelfälle. Wirksamkeit ist das Ziel – bei der Durchsetzung der Gesetze und den daraus resultierenden Schutzmaßnahmen. One-Click-Wonder wie „ja, ich bin älter als 18“ sind hier nicht zielführend. Es gibt wirksamen Schutz, und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen die eindrucksvolle Datenbank der KJM zu den Altersverifikationssystemen ans Herz legen. Es sind an die 100 Systeme, die die KJM geprüft und anerkannt hat.

Doch auch bei den Einzelfällen zeigt sich die Wirksamkeit: 95 Prozent der rechtswidrigen Fälle, die bei der EU-Kommission gemeldet werden, kommen aus Deutschland. Doch es ist nicht nur die Quantität – auch die Art der Einzelfälle zeigt die Notwendigkeit unserer Arbeit: Volksverhetzung, Verstöße gegen die Menschenwürde und verfassungswidrige Kennzeichen sind Themen, die die Medienanstalten konsequent verfolgen. Eine geschätzte und langjährige Kollegin aus meinem Haus fasste es letztens so zusammen: Früher haben wir uns um die Jokos und Klaas‘ im linearen TV gekümmert. Heute stehen wir vor einer gänzlich anderen Dimension der Herausforderungen: Brachiale Gewaltdarstellungen und bisweilen unaussprechliche Gräueltaten sind an der Tagesordnung für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich und ganz konkret für den Schutz der Kinder und Jugendlichen einsetzen – dazu gehört natürlich auch die KJM. Wenn das für uns schon belastend ist – wie viel mehr dann für unsere Kinder und Jugendlichen?

Unsere Aufgabe ist es dabei auch, die richtigen Regulierungsadressaten zu identifizieren, und hier verfolge ich ehrlicherweise einen sehr trivialen Gedanken: Wer mit eigenen Inhalten oder mit dem Zugang von Inhalten Geld verdient, der muss bei der Rechtsdurchsetzung auch in Anspruch genommen werden können. Ganz einfach. Geldverdienen verpflichtet.

Auch ich freue mich auf einen dialogreichen Abend und eine KJM im Dialog. 
 

Rede Dr. Marc Jan Eumann, Vorsitzender der KJM

„Aus Sicht des Kinder-und Jugendmedienschutz ist es gut, dass die EU wirkmächtige Instrumente in den Händen hält. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass die KOM nur agieren kann, wenn sie die Unterstützung von ihren Mitgliedstaaten erhält. Die EU-Kommission hat keinen Fall, wenn sie nicht auf eine Faktenlage zurückgreifen kann, die aus den Zivilgesellschaften der Mitgliedstaaten und durch deren Regulierungsbehörden geschaffen wird.

Die KI-Verordnung der EU entfaltet im Übrigen ebenso wenig eine Sperrwirkung für Anstrengungen der Länder und Landesmedienanstalten um einen effektiven Kinder- und Jugendmedienschutz wie der Digital Services Act der EU. Die Regelungen zum Kinder- und Jugendmedienschutz im AI Act sind hinreichend vage, um durch die Mitgliedstaaten nicht nur ausgefüllt werden zu können, sondern im Blick auf verfassungsrechtliche Schutzpflichten gegenüber Minderjährigen auch ausgefüllt werden zu müssen. Dies unter Umständen auch streitig gegenüber der EU-Kommission vorzutragen und einzufordern wird eine der spannenden Herausforderungen für die Wahrung des Leitbildes einer bürgernahen, gemeinwohlorientierten und grundwertegeprägten Regulierung in der neuen Amtszeit von Europäischem Parlament und EU-Kommission sein.

Auch für einen effektiven Kinder- und Jugendmedienschutz eröffnet KI neue Möglichkeiten – nicht zuletzt auch bei der Weiterentwicklung von Altersverifikations- zu Alterseinschätzungsansätzen als Instrumenten technischen Kinder- und Jugendmedienschutzes. Die Landesmedienanstalten nutzen KI schon heute, um mehr Inhalte im Netz ausfindig zu machen und zu verfolgen. Mit KIVI haben die LMA ein effektives Tool, um eine große Menge an Inhalten zu monitoren und an die Plattformen zu melden. Viele Inhalte werden bereits auf diesem Wege gelöscht, nicht immer ist ein Verwaltungsverfahren notwendig. Zudem wird KI im Rahmen von Age Estimation Verfahren genutzt, um das Alter einer Person datensparsam festzustellen. KI-Tools im Bereich der Altersprüfung werden in Zukunft hoffentlich dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche immer sicherer im Netz unterwegs sein können, da die großen Plattformen sie dann hoffentlich alle nutzen.

Der Einsatz von KI bringt – das klingt schon wie eine Binse, auch wenn wir erst am Anfang stehen - Veränderungen auch für einen effektiven Kinder- und Jugendmedienschutz mit sich. Mit wenigen Klicks können durch generative KI Bilder oder Videos erzeugt werden, die Empörung über kontroverse Themen schüren und junge Menschen verunsichern und verwirren. Auch die durch KI kinderleichte Erstellung von schwersten Missbrauchsdarstellungen macht deutlich, dass bei den rasanten technischen Entwicklungen der Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht auf der Strecke bleiben darf. Jedes noch so harmlose Foto auf Social Media kann am Ende dazu genutzt werden, um  Deepfakes anzufertigen. Dabei wird auch nicht vor Bildern von Kindern Halt gemacht. Deepfake-Pornografie ist ein zunehmendes Phänomen. Deswegen wiederhole ich den dringenden Appell meiner Kollegin Conni Holsten: Stellen Sie NIE ein unverpixeltes Gesicht ihres Kindes ins Netz. Unsere Gesellschaft muss ein Störgefühl entwickeln, wenn es unverpixelte Bilder von Kindern im Netz begegnen.

Unbestritten: Die Erziehenden tragen eine große Verantwortung. Hier müssen sie vor allem durch die Medienkompetenzarbeit der Medienanstalten unterstützt und begleitet werden. Auch die Gesetzgeberinnen, vor allem die Länder, müssen und werden ihrer Verantwortung gerecht werden. Das gilt nicht für die Anbieter*innen. Sinnvolle Maßnahmen laufen vielfach ins Leere, weil kein AVS implementiert ist. Der Ruf nach Regulierung, insbesondere auf europäischer Ebene, ist hier allzu wohlfeil. Mit großer Reichweite geht große Verantwortung einher. Nicht irgendwann, sondern jetzt.

Die besten materiell-rechtlichen Regelungen sind im Übrigen praktisch ohne Wert, wenn sie nicht effektiv durchgesetzt werden können. Ähnlich wie bei Telemedien, Games, Kinofilmen oder Rundfunk ist es sinnvoll, Selbstkontrolleinrichtungen im Rahmen eines Systems regulierter Selbstregulierung einzubeziehen. Kurzum: Die KJM ist unverzichtbar, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche – auf der Grundlage des JMSTV – zu schützen."

 

Logo der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin

Kooperationsveranstaltung mit der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und bei der Europäischen Union.

Impressionen der Veranstaltung

Sketchnotes- Workshop: Sichtweisen auf das Thema Altersprüfung

Programm

Uhrzeit 
18:00

Begrüßung

  • Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien
  • Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg
  • Jochen Fasco, 1. stv. KJM-Vorsitzender und Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt
18:20

Impuls

Gutachten zur Kennzeichnung bearbeiteter (Influencer-) Fotos

  • Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher für Medienrecht und Media Governance am Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI) 
18:30

Gespräch zum Gutachten „Kennzeichnung bearbeiteter (Influencer-) Fotos“

  • Eva-Maria Sommer, Direktorin der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein
  • Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher für Medienrecht und Media Governance am Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI) 
18.40

Panel 

  • Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien
  • Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW
  • Julie Dawson, Chief Policy & Regulatory Officer, Yoti
  • Marie von Stauffenberg, Manager Public Policy, Meta

Moderation: Vera Linß, freie Medienjournalistin

19:10

Workshop

  • Learnings & Ideen zum Thema (Kleingruppen | Sketchnotes)
19:30

Zusammenfassung & Ausblick

  • Panel-Moderatorin Vera Linß & Dr. Marc Jan Eumann, KJM-Vorsitzender und Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz
19:45Ende der Veranstaltung & Get-together