Menschenwürde: Steinfigur eines dünnen Menschen, hockend, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, mit den Händen den Kopf haltend.

Menschenwürde

Die Menschenwürde hat Vorrang: Sie steht ganz oben in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen und in unserer Verfassung. Kein Mensch darf wie eine Sache behandelt, entrechtet, unmenschlichen und erniedrigenden Strafen und Behandlungsweisen ausgesetzt, gefoltert oder vernichtet werden.

Das Bekenntnis zur Würde des Menschen bildet die Grundlage des öffentlichen Diskurses, den Raum für moralische und juristische Kommunikation. Menschen sind es sich selbst und einander schuldig, für ihre grundlegenden Rechte solidarisch einzutreten. Das unterscheidet die Menschenwürde ganz wesentlich von einem bloßen Tabu, das sich jeder rationalen Erwägung entzieht.

Schutz der Menschenwürde als Aufgabe der KJM

Neben dem Schutz von Kindern und Jugendlichen ist besonders der Schutz der Menschenwürde ein zentrales Thema im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) – und damit eine wesentliche Aufgabe der KJM. Ein Medienangebot ist nach dem JMStV unzulässig, wenn es gegen die Menschenwürde verstößt. Insbesondere ist das der Fall, wenn Menschen dargestellt werden, die körperlich oder seelisch leiden oder litten oder die sterben, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse an dieser Darstellungs- oder Berichterstattungsform vorliegt.

Die KJM prüft im Einzelfall, ob die Würde des Menschen in Rundfunk- und Telemedienangeboten geachtet wurde. Die Menschenwürde ist nicht schon dann verletzt, wenn ein Angebot Geschmacklosigkeiten, polemische Ausfälle und sprachliche Entgleisungen aufweist. Vielmehr muss bei der Bewertung eines möglichen Verstoßes gegen die Menschenwürde eine gewisse Intensität festgestellt werden. Sie ist dann erreicht, wenn die Subjektqualität des Menschen grundlegend und prinzipiell missachtet und der Mensch somit zum Objekt herabgewürdigt wird.

Schutzadressaten

Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Menschenwürde achtet die KJM auf den jeweiligen Schutzadressaten:

  • den Schutz des Teilnehmers oder des Dargestellten eines Medienangebots (Teilnehmerschutz),
  • den Schutz des Zuhörers oder Zuschauers bzw. Nutzers oder Anwenders (Rezipientenschutz) und
  • den Schutz der Menschenwürde als Teil der jeweiligen Werteordnung, wie sie maßgeblich durch die Grundrechte geprägt ist (Menschenwürde als Teil der verfassungsrechtlichen Werteordnung).

Beim Teilnehmerschutz, z. B. bei einem Teilnehmer einer Talk- oder sog. „Extrem“-Show, ist der Aspekt einer Einwilligung zu berücksichtigen. Die Einwilligung kann als Ausdruck der eigenen Individualität und damit der eigenen Menschenwürde gewertet werden. Dabei prüft die KJM im Einzelfall besonders, ob sich der Einwilligende der Möglichkeit der Gefährdung seiner Menschenwürde bewusst war und ob sein Ausharren in derartigen Situationen erzwungen war. Beim Zuschauerschutz und beim Schutz der Menschenwürde als Teil der verfassungsrechtlichen Werteordnung ist eine Einwilligung dagegen unerheblich. Die Menschenwürde als Teil der verfassungsrechtlichen Wertordnung ist verletzt, wenn durch ein Angebot Verhaltensweisen geprägt werden und ein Menschenbild vermittelt wird, das Art. 1 Abs. 1 GG widerspricht.

Sorgfältige Abwägung und Begründung

Die Menschenwürdegarantie bedarf aufgrund ihres Absolutheitsanspruchs stets einer sorgfältigen Abwägung und Begründung. Die KJM hat in der Vergangenheit in mehreren Fällen Verstöße gegen den Schutz der Menschenwürde festgestellt. Die Bilder eines pflegebedürftigen alten Mannes etwa, der in einem Fernsehmagazin mehrmals gezeigt wurde, stufte die KJM unter dem Aspekt der Achtung der Menschenwürde als unzulässig ein. Der TV-Veranstalter gab an, dass die wiederholten ausführlichen Szenen von Misshandlungen und Demütigungen gezeigt wurden, um auf die Missstände im betroffenen Pflegeheim hinzuweisen. Diese langen und mehrfach ausgestrahlten Bilder degradierten den alten Mann zum Objekt der Befriedigung voyeuristischer Interessen der Zuschauer. An einer derart intensiven Schilderung der Misshandlungen bestand kein berechtigtes öffentliches Interesse. Das Berichterstattungsinteresse des TV-Veranstalters bzw. das Informationsinteresse des Zuschauers kann nicht ohne Weiteres Vorrang vor der Menschenwürde der Betroffenen beanspruchen, zumal die Situation im Pflegeheim auch mit anderen Mitteln hätte dargestellt werden können.

Mehr zum Thema

LfM-Gutachten – Nadine Klass:
Unterhaltung ohne Grenzen? Der Schutzbereich der Menschenwürde in den Programmgrundsätzen der Medienstaatsverträge. Berlin (Vistas), 2011. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien (LfM), Band 69.
lesen (lfm-nrw.de)